Vortrag Fritz Lazlo Weber: Halit-Straße, Kassel, Internet-Cafe, Tribunal

/ November 9, 2016

09.11.2016, 18 Uhr
Auditorium, Speicher XI, Bremen

 

Der Vortrag ist ein Versuch verschiedene Orte und Geschichten zu verknüpfen.
Verbunden werden sie alle durch die Halit-Straße, einer Straße, die es gibt, die aber noch nicht diesen Namen trägt.

2006 wird Halit Yozgat in seinem Internet-Café in Kassel ermordet. Er ist das neunte Opfer in einer Mordserie. Fünf Jahre später erst folgt die Selbstenttarnung des Neo-Nazi-Terror-Netzwerks NSU (National Sozialistischer Untergrund). Der NSU führte zwischen 1998 – 2011 mind. zehn Morde und drei Bombenanschläge auf Menschen durch, die mit ihren Geschäften, das öffentliche Leben in einer von Migration durchzogenen Stadt und Gesellschaft prägen.

Vor der Selbstenttarnung des NSU richteten sich die polizeilichen Ermittlungen vor allem gegen die Betroffenen. Diese wiederum kämpften nicht nur gegen die rassistische Polizei- und Pressearbeit an, sie trugen ihre Analysen um die eigentlichen Hintergründe der Taten und die daraus resultierenden Forderungen gleich selber in die Stadt. In Kassel und Dortmund gingen 4000 Menschen auf die Straßen.

Nach dem Auffliegen des NSU im Jahr 2011 setzte eine beispiellose Kombination aus Betroffenheit und gleichzeitiger Vertuschung ein. Die Verstrickungen von staatlichen Akteur*innen und Nazi-Strukturen wurden in Kassel besonders deutlich, schockierten die Öffentlichkeit und blieben doch unaufgeklärt, unaufgelöst.
Die Forderung der Familie von Halit nach der Umbenennung der Straße, an der er geboren wurde, gelebt und gearbeitet hat, in Halit-Straße wurde und wird von Politik und Presse wiederum mit Ablehnung begegnet.

Der Vortrag erzählt von den politischen Dimensionen von Orten, an denen Selbst-Organisation und Widerstand von verschiedenen Akteur*innen in der Migrationsgesellschaft erprobt wird und über die Bild- und Raumpolitik, die diesen Handlungen zugrunde liegt. Er sucht Anknüpfungspunkte an die Geschichte eines Stadtteils, der von Rüstungs-Industrie, Arbeitsmigration, Akademisierung und Unternehmungen geprägt ist.

Und schließlich geht er über zur Planung des Tribunals ‘NSU-Komplex auflösen’, das sich aus dieser und vielen anderen Geschichten formt. Das Tribunal wird von einem bundesweiten Zusammenschluss von Initiativen und Einzelpersonen erarbeitet, die mit den Betroffenen der NSU-Mord- und Anschlagserie solidarisch verbunden sind.
Ausgehend von der immer noch unzureichenden Aufklärung durch Gerichte und Untersuchungsausschüssen, gilt es das migrantisch-situiertes Wissen der Betroffenen unüberhörbar zu machen. Im Mittelpunkt des Tribunals steht daher eine gemeinsam zu formulierende Anklage sowohl rassistischer Strukturen wie auch einzelner Täter*innen.

Fritz Laszlo Weber hat an der Kunsthochschule Kassel studiert. Er ist Teil der Initiative 6. April und des Tribunals ‚NSU Komplex auflösen!‘

http://fritz-weber.de/
https://initiative6april.wordpress.com/
http://nsu-tribunal.de/

 

nächste Vorträge:

23.11: Thaddäus Hüppi
14.12: Filipa Cesar
18.01.2017:

 

 

 

 

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